Stammtische

1.Mittwoch im Monat
Stammtisch im „Römer Pils Brunnnen"
ab 17 Uhr

2. Freitag im Monat "Landser Lunch"
Mittagsstammtisch wechselnder Ort
ab 12:30 Uhr

3. Mittwoch im Monat
Stammtisch im „Klaane Sachsenhäuser"'
ab 17 Uhr

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100 Jahre VACC Frankfurt am Main - Die VACC Frankfurt im Licht der Geschichte

Von Dr. GEORG CONRAD, Landsmannschaft Preußen

 

Wenn heutzutage eine einzelne studentische Korporation ein Stiftungsfest mit einer dreistelligen Jahreszahl begeht, so liegt dies eher im Bereich des Gewohnten. Wenn aber eine örtliche Altherrenvereinigung ihren 100. Geburtstag feiert, so weist dies allein schon auf außerordentliche Umstände hin, die zu ihrer Gründung geführt haben müssen. Blicken doch die studentischen Korporationen als solehe nur auf ein wenig mehr als 200jähriges Bestehen zurück, Und hat sich eine Altherrenschaft im heutigen Sinne überhaupt erst in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zu' entwickeln begonnen.

Welche besonderen Umstände waren es nun, die zur Gründung unserer Frankfurter Vereinigung führten. Der Gründung des Coburger L. C. im Jahre 1868 war ein Schriftwechsel zwischen den beteiligten Landsmannschaften vorausgegangen, der auf seiten der Ghibellinia (Tü) von ihrem „Sekretär", wie der Drittchargierte damals genannt wurde, stud. phil. Eugen Gantter aus Stuttgart geführt wurde. Zwar war er weder in Kassel noch in Zwingenberg dabei — dies blieb höheren Chargen vorbehalten — doch galt er auf Grund seiner vorbereitenden Tätigkeit, der er sich mit großem Engagement gewidmet hatte, als Mitbegründer des Cob. L. C. Gantter wurde 1870 zum Dr. phil. promoviert und ließ sich zu Beginn der achtziger Jahre als Schriftsteller —später auch Fachlehrer für Kurzschrift — endgültig in Frankfurt am Main nieder. Obwohl es hier nur wenige Landsmannschafter gab, war er, der sich nun selbst als „der Alte Waiblinger" bezeichnete und auch im Verband allgemein unter diesem Namen bekannt wurde, bemüht, eine örtliche Altherrenvereinigung zu gründen.

In den achtziger Jahren gab es erst sehr wenige Vereinigungen dieser Art. Natürlich hatte sich eine solche in Berlin, der Reichshaupt- und Universitätsstadt, gebildet, es gab eine in Köln, schon seit 1884 eine in Hamburg, 1887 kam Magdeburg, 1888 Erfurt dazu. Von einem L. C. New York wird übrigens schon 1886 berichtet, der aber wohl nur den Charakter eines Stammtisches gehabt haben dürfte.

1887 trat nun „der Alte Waiblinger" mit dem Sanitätsrat Dr. Heinrich Vömel, Makariae (Wü) und dem Assessor Fritze, Gottingae, zusammen und begründete mit ihnen den Frankfurter L. C., wie Altherrenvereinigungen damals noch genannt wurden. Dr. Vömel übernahm das Amt des Vorsitzenden, Dr. Gantter das des Schriftführers, in dem er ja geübt war, und Assessor Fritze das des Schatzmeisters.

Im Februar 1888 wurden dann alle Landsmannschaften gebeten, nicht nur die Adressen aller Landsmannschafter in Frankfurt selbst und Umgebung bekanntzugeben, sondern „auch derjenigen, welche nur so weit von Frankfurt entfernt
wohnen, daß sie mit nicht allzu großem Zeitaufwand an einer dahier stattfindenden L. C.-Zusammenkunft teilnehmen können (Wiesbaden, Rheingau, Mainz, Gießen usw.)". Die Unterschrift lautete: „Mit landsmannschaftlichen Grüßen, mehrere Landsmannschafter". Auf Grund der offensichtlichen Resonanz, die dieser erste Aufruf gefunden hatte, wurde dann schon im März mitgeteilt, „daß für die Osterferien, und zwar für Samstag, den 14. April, die erste Zusammenkunft alter und junger Landsmannschafter hierselbst in Aussicht genommen ist". Diese erste Zusammenkunft ist es, die wir heute feiern, mit nur neuntägiger Verspätung! Sie fand im Restaurant „Stadt Ulm" in der Schäfergasse statt und nahm einen so glänzenden und anregenden Verlauf, daß der Wunsch nach baldiger Wiederholung aufkam. 10 Landsmannschaften waren vertreten, und den überraschten Frankfurter Bürgern wurde der Anblick einer Renommierfahrt mit Kutschen zuteil. Für die Zukunft wurden regelmäßige Sonntagsfrühschoppen verabredet, und am letzten Samstag eines jeden Monats sollte ein L. C.-Abend abgehalten werden. Und schon für den 20. und 21. Oktober desselben Jahres war die nächste Zusammenkunft in größerem Rahmen vorgesehen.

Damit wurde der Frankfurter L. C. zur Keimzelle aller örtlichen A. H.-Vereinigungen in der näheren und weiteren Umgebung. Bereits 1891 wurde der später sehr rührige L. C. Wiesbaden gegründet, 1894 folgten Darmstadt, Mannheim und Mainz. 1911 Friedberg, 1920 Hahnau unter Oberbürgermeister Dr. Hild, Palaeomarchiae, 1921 Offenbach und 1927 Höchst, wo es bereits seit 1912 einen eigenen Stammtisch gab, dem der Höchster Oberbürgermeister Dr. Janke, Teutoniae (Hei) präsidierte.

1893 wuchs dem Frankfurter L. C. eine neue Aufgabe zu, als er beschloß, den 25. Jahrestag der Gründung des Cob. L. C. in Zwingenberg, dem Ort des ersten Pfingstkongresses, zu feiern. Zur Einstimmung fand am Vorabend in Frankfurt ein Festkommers mit Musik und Landesvater statt, zu dem Makaria (Wü) und Germania (Ma) die Chargierten stellten. Am folgenden Tag, dem 28. Mai, fuhren die Teilnehmer mit dem Zug nach Zwingenberg, und hier fand dann zum ersten Mal jenes berühmt gewordene, im Laufe der Jahre noch verfeinerte Zeremoniell statt: Am Bahnhof formierten sich die anwesenden Landsmannschafter in Reihen zu viert, und hinter der aus Frankfurt mitgebrachten L. C.-Kapelle marschierte die Kolonne, „der Alte Waiblinger" mit geschultertem Stock an der Spitze, zum Gründungslokal, dem „Löwen". Eine besondere Freude wurde den Anwesenden bereitet, als drei in Gießen studierende L. C.-Burschen erschienen, nach kurzem Konvent die Farben der dortigen Darmstadtia anlegten und deren Beitritt zum Cob. L. C. verkündeten, womit die Landsmannschaft auch auf großherzoglich-hessischem Boden Fuß gefaßt hatte. Nach dem Frühschoppen fand zunächst ein Parademarsch vor den anwesenden Damen statt, dann zog die Festkorona wieder mit Musik nach Auerbach, wo in der „Post" das Mittagessen eingenommen wurde, dem eine Waldkneipe folgte.

Im nächsten Jahr wurde wieder eine Zwingenbergfahrt unternommen, die nun zur ständigen Einrichtung wurde und deren Veranstaltung sogar in der Satzung des Frankfurter L. C. ihre Verankerung fand. Insgesamt 70 Personen beiderlei Geschlechts nahmen an dem Treffen teil, darunter 43 Landsmannschafter. Diesmal fand sich der Konvent mit einem sehr ernsten Thema konfrontiert. In Coburg hatte der vorangegangene Pfingstkongreß, wohl dem sogenannten „Zeitgeist" und dem Vorgang anderer Verbände folgend, beschlossen, Juden nicht mehr aufzunehmen. Hierzu hatte. sich der Frankfurter L. C. bereits in einem Rundschreiben geäußert, in dem es zu dem Coburger Beschluß u. a. wörtlich hieß: „Verfehlt ist er, weil er die deutschen Landsmannschaften in den Dienst einer politischen Partei stellt. Den Grundsätzen des Coburger L. C. widerspricht er, weil die Landsmannschaft den Grundsatz aufgestellt hat, jeden ehrenhaften Studenten als gleichberechtigt anzuerkennen. Wie sehr aber ein Jude ein ehrenhafter Student sein kann, beweist die Tatsache, daß mehrere alte Landsmannschaften unter ihren verdienstvollsten Mitgliedern Juden zählen. Die Frage, ob ein Jude Mitglied des L. C. werden kann, muß von den einzelnen Landsmannschaften und darf nicht durch L.-C.-Beschluß entschieden werden, am wenigsten zu einer Zeit, wo die Judenfrage weite Kreise unseres Volkes erregt." Der Wiesbadener L. C. hatte sich in ähnlicher Weise ausgesprochen, und der Zwingenberger Konvent erklärte es einstimmig für wünschenswert, daß der Beschluß bis zum nächsten Kongreß unausgeführt bleiben möge. Auch die anwesenden Aktiven schlossen sich diesem Votum einstimmig an. An diesem Beispiel kann man sehen, wie bedeutsam es sein kann, wenn Alte Herren der manchmal impulsiv radikale Ideen aufnehmenden studentischen Jugend argumentativ entgegenzuwirken vermögen.

Diese Frage ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß Alte Herren auf dem Coburger Kongreß kein Stimmrecht hatten, ja als solche verbandsmäßig überhaupt nicht organisiert waren. Auch hier war es der Frankfurter L. C., der die Initiative ergriff, die 1897 zur Gründung des Gesamtverbands Alter Landsmannschafter führte, der von nun an in Coburg den L. C.-Tag abhielt, jedoch auf dem parallel stattfindenden Kongreß der Aktiven nur mit einer einzigen Stimme vertreten war, ein eigenartiger Zustand, der bis zur Auflösung im Jahre 1936 anhielt.

In das Jahr der Gründung des Gesamtverbands fiel auch der L. C.-Krach, der sich im Frankfurter A.H.L.C., wie die örtlichen Vereinigungen jetzt hießen, empfindlich auswirkte. Waren doch gerade die zum Kösener S.C.V. übergetretene Makaria (Wü) und die zur Burschenschaft gewordene Germania (Ma) den Frankfurter Landsmannschaftern besonders verbunden gewesen. So ist es denn durchaus verständlich, daß Dr. Vömel sich von seiner Aktivitas trennte und dem Landsmannschaftertum treu blieb. Auch mehrere Germanen blieben Mitglieder des Frankfurter A.H.L.C. und damit des Gesamtverbandes. Um diesen Zustand festzuschreiben, wurde in § 2 der im Oktober 1909 beschlossenen Satzung festgelegt: „Mitglieder der Vereinigung kann jeder in Frankfurt und Umgebung ansässige Alte Herr einer Landsmannschaft werden, die dem Cob. L. C. angehört oder angehört hat." Es ist interessant, daß sich das gleiche Problem in jüngerer Zeit wieder gesellt hat und in ähnlicher Weise gelöst worden ist.

Auch Dr. Gantter selbst wurde vom L. C.-Krach betroffen, denn seine Ghibellinia war ebenfalls aus dem Cob. L. C. ausgetreten und hatte sich mit einigen anderen alten Landsmannschaften im Arnstädter L.C. zusammengeschlossen.

Jetzt sah es „der Alte Waiblinger" natürlich als seine Hauptaufgabe an, die beiden feindlichen Brüder wieder zusammenzuführen, was dann schließlich 1906 auch gelang. Die Einheit des Verbands war nach großen Opfern, dem Verlust guter alter Landsmannschaften, wiederhergestellt.

So konnte das Fest des vierzigjährigen Bestehens des Verbands, der sich nun Deutsche Landsmannschaft (D. L.) nannte, im Jahre 1908 mit ungetrübter Freude gefeiert werden. Diesmal waren es schon etwa 300 Damen und Herren, die gegen 11 Uhr in der bereits geschilderten Weise vom Bahnhof Zwingenberg zum „Löwen" zogen, wo im schattigen Garten zahllose Flaschen Bergsträßer Rebenbluts bereitstanden. Nachdem der erste Durst gestillt war, versammelten sich die Teilnehmer vor der bereits 1899 angebrachten Gedenktafel, sangen das DeutschlandLied und lauschten auf die Worte des „Alten Waiblingers", des „unverbesserlichen Optimisten", wie ihn der neue Vorsitzende des Frankfurter A.H.L.C. nannte. Auf dem folgenden Konvent wurde mitgeteilt, daß die beiden Männer der ersten Stunde, Dr. Vömel und Dr. Gantter — der erste Schatzmeister Th. Fritze war unlängst als Amtsgerichtsrat in Wiesbaden verstorben — ihre Ämter nach zwanzigjähriger unermüdlicher Tätigkeit niedergelegt hätten und zu Ehrenmitgliedern ernannt worden seien. Nach dem Frühschoppen bestiegen alle den bereitstehenden Sonderzug, der schon ab Frankfurt zur Verfügung gestanden hatte, und fuhren zum Mittagessen nach Heppenheim, da der Spaziergang nach Auerbach schon vor einigen Jahren wegen Schwierigkeiten mit dem dortigen Wirt eingestellt worden war. Mit Musik, Tanz und Trinksprüchen endete das schöne Fest.

Nun soll aber auch etwas über das Alltagsleben des Frankfurter A.H.L.C. in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg gesagt werden. Man traf sich einmal in der Woche, wobei sowohl der Wochentag als auch das Restaurant wechselten. Eine Zeitlang wurde die wohlbekannte „Stadt Ulm" frequentiert, zu anderen Zeiten das Restaurant „Falstaff" im Hotel „Westminster" am Theaterplatz oder das Restaurant „Faust" im Schauspielhaus besucht. Zeitweise fanden auch monatliche Couleurkneipen mit vorhergehendem Konvent statt. Ebenso erfreuten sich Veranstaltungen mit Damen großer Beliebtheit. So wird aus dem Jahre 1908 über eine Weihnachtsfeier „im gemütlichen kleinen Saal" des „Steinernen Hauses" berichtet, wo auch der Weihnachtsmann erschien und den Anwesenden kleine Geschenke mit passenden Versen überreichte. Der Chronist weiß auch von einem Faschingstanz „in den beiden behaglichen Sälchen" des Restaurants „Härle" in der Goethestraße zu berichten, an dem sich vierzig Damen und Herren beteiligten. Insgesamt lag die Zahl der Mitglieder in jener Zeit bei etwa vierzig.

Unter den Zwingenbergfahrten ist noch die des Jahres 1912 zu erwähnen, während der die neue LandsmannschafterHalle neben dem "Löwen" eingeweiht wurde, deren Hauptschmuck an der Schmalseite gegenüber dem Eingang ein großes, Stadt und Veste Coburg darstellendes Ölgemälde bildete, im Vordergrund ein alter und ein junger Landsmannschafter. In dem Alten mit der grünen Mütze war unschwer „der Alte Waiblinger" zu erkennen.

In diesem und den folgenden beiden Jahren wurde im Frankfurter A.H.L.C. viel über ein Projekt gesprochen, das geeignet war, das Leben der Vereinigung in positivem Sinne zu verändern, es zu verjüngen. Die Gründung einer Universität in Frankfurt war zur Gewißheit geworden, und man stellte sich die Frage, wie die Landsmannschaft auch hier Fuß fassen könnte. Verschiedene Projekte wurden erwogen, doch mußten sie auf Grund des Ausbruehs des Krieges zunächst zurückgestellt werden.

Der 1. Weltkrieg verschonte natürlich auch den Frankfurter A.H.L.C. nicht. Viele Mitglieder rückten ein, und sogar der schon 66jährige Gantter, der schon den Krieg von 1870/71 als Freiwilliger in einem württembergischen Regiment mitgemacht hatte, stellte sich als Hauptmann (I. R. noch einmal zur Verfügung und wurde zunächst beim Bahnschutz, zuletzt bei der Militärischen Postüberwachungsstelle in Frankfurt eingesetzt. Ende 1916 wurde er mit dem Charakter eines Majors d. R. entlassen. Da in dieser Zeit der Betrieb des A.H.L.C. weitgehend ruhte, übernahm er noch einmal ein Amt, diesmal das des Vorsitzenden. Da sich 1918 die Gründung der D. L. zum fünfzigsten Mal jährte, sollte dieser Tag so festlich wie möglich begangen werden. Am 23. Mai fuhr man in drei Sonderwagen bei herrlichem Sonnenschein nach Zwingenberg. Eine halbe Stunde später traf auch der Zug aus Heidelberg ein, und vor dem „Löwen" hielt Dr. Gantter eine sehr bemerkenswerte Ansprache, in der es u. a. hieß:

„Aus bescheidenen Anfängen hat sich der Gedanke der Deutschen Landsmannschaft Bahn gebrochen auf fast allen deutschen Hochschulen, der Gedanke, daß den schlagenden Verbindungen nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Zukunft gehört, daß sie sich aber fernhalten müsse von den Auswüchsen nach rechts und links und die goldene Mittelstraße einhalten, wie sie unser Wahlspruch vorzeichnet: Ehre, Freundschaft, Vaterland." Wirklich, es waren prophetische Worte!

Nach einem ehrenden Nachruf auf Dr. Vömel, der im Jahr zuvor gestorben war, ergriff ein Schuldirektor aus Schotten, A. H. Darmstadtiae, der als Hauptmann d. R. das Augenlicht eingebüßt hatte, das Wort und brachte allen Anwesenden zum Bewußtsein, daß man sich in einem mitleidlosen Krieg befand, dessen Ausgang ja noch nicht entschieden war. Den Abschluß bildete die den Geehrten völlig überraschende Übergabe eines silbernen Humpens an Dr. Gantter, eine Ehrengabe des Gesamtverbandes Alter Landsmannschafter an den Mitbegründer der D.L.

Der bald darauf verlorene Krieg stellte die Universität Frankfurt insofern vor eine neue Situation, als sie die Tradition der alten deutschen Universität Straßburg übernahm. Dies hatte auch zur Folge, daß sich hier mehrere alte Straßburger Korporationen niederließen, so die Landsmannschaft Teutonia a. d. Schanz und die Turnerschaften Alsatia und Cheruscia. Da 1919 auch die älteste Frankfurter Verbindung Frankonia in die D. L. rezipiert worden war, bestand der junge Frankfurter o. L. C. aus zwei Landsmannschaften, mit denen die V. A. L. , der neue Name begann sich jetzt einzubürgern, in engem Kontakt stand. Manches Fest wurde von jung und alt gemeinsam gefeiert. 1919 legte Dr. Gantter das Amt des Vorsitzenden endgültig nieder und wurde in Würdigung seiner besonderen Verdienste zum Ehrenvorsitzenden auf Lebenszeit gewählt. Die Zahl der Mitglieder war mittlerweile auf 108 angewachsen, was sich zum Teil dadurch erklärt, daß in diesem Jahr die Landsmannschaften an Technischen Hochschulen, von denen die meisten bisher dem L. C. auf der Marksburg angehört hatten, nach dessen Auflösung der D.L. beitraten. Darüber hinaus betrieben alle alten Verbände in den Jahren nach dem 1. Weltkrieg eine expansive Aufnahmepolitik. So stieg die Zahl der Landsmannschaften in der D. L. von 1914 bis 1922 von 53 auf 94, die der Turnerschaften im V. C. von 57 auf 72. 1922 schlossen diese beiden Verbände ein Abkommen über die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft ab, was auch zu engerer Zusammenarbeit auf lokaler Ebene führte.

Es scheint mir jetzt an der Zeit zu sein, einen kurzen Überblick über die Geschichte des V. C. zu geben, der ja zur zweiten Wurzel des C. C. geworden ist.

Im Gegensatz zum Cob. L. C., der von seit Jahren bestehenden farbentragenden waffenstudentischen Verbindungen besonderer Prägung gegründet worden war, taten sich 1872 im Cartellverband (C. V.) akademische Turnervereine zusammen, die noch keinen korporativen Charakter hatten. in diesem Verband bildeten sich bald zwei Richtungen heraus, die Vereine der einen begannen Farben anzulegen und waffenstudentischen Charakter anzunehmen, die anderen blieben schwarz. Trotz aller Bemühungen der zweiten Gruppe, die weitere Ausbildung der ersten zu verhindern, wurde der Gegensatz bald so stark, daß es 1882 zur Spaltung kam. Die Gruppe der Turnvereine mit Korporationsprinzip nahm 1885 den Namen „Vertreter-Convent (V. C.), Kartellverband akademischer Turnvereine auf deutschen Universitäten" an; das Wort „Universitäten" wurde 1894 durch „Hochschulen" ersetzt, ab 1897 nannten sich die bisherigen Turnvereine „Turnerschaften", die Analogie zu „Landsmannschaften" und „Burschenschaften" ist offensichtlich. In den Jahren vor dem 1. Weltkrieg betrieb der V. C. eine recht großzügige Aufnahmepolitik, die zur Folge hatte, daß er zahlenmäßig die D. L. bald übertrag, wobei berücksichtigt werden muß, daß der V. C. damals bereits Verbindungen an Technischen Hochschulen aufnahm, was theoretisch nach der Satzung der D. L. auch möglich gewesen wäre, praktisch jedoch erst 1919 realisiert wurde.

1922 fand der erste Frankfurter Waffenringkommers im Palmengarten unter dem Präsidium der Turnerschaft Alsatia statt. Die erste größere gemeinsame Veranstaltung von V.A.L. und V.A.T. war im Jahre 1925 eine Dampferfahrt auf dem Rhein von Biebrich bis Kaub und zurück. Dasselbe Jahr fand die Mitglieder der V.A.L. mit ihren Damen zu einem Nikolausabend im „Frankfurter Hof" vereint, an dem auch ein Vertreter der V.A.T. teilnahm. Die Veranstaltung war mit einem Ball verbunden. Statt einer Tischkarte fanden die Teilnehmer an ihrem Platz einen großen Nikolaus aus Lebkuchenteig, der ihren Namen in Zuckerguß trug. Gesangs- und Klavierdarbietungen aus dem eigenen Kreis ergänzten das Programm, das natürlich auch das Erscheinen des Nikolaus einschloß.

Auch Vortragsveranstaltungen fanden von nun an regelmäßig statt, einmal im Monat gab es einen Damenabend im „Kaiserkeller". Das Jahr 1926 sah unter dem Vorsitz der V.A.L. einen Reichsgründungskommers der alten schlagenden Verbände, auf dem Dr. Max Lindemann, Thuringiae et Neoborussiae, die mit großem Beifall bedachte Festrede hielt. Im Februar 1927 vereinte ein gemeinsamer Ball Alte Landsmannschafter und Turnerschafter im „Frankfurter Hof".

Für 1928 standen der V.A.L. Frankfurt zwei große Ereignisse ins Haus. „Der Alte Waiblinger" vollendete am 11. Januar das 80. Lebensjahr. Aus diesem Anlaß fand im Saal des „Thomasbräus" in der Großen Bockenheimer Straße ein Ehrenabend für den Jubilar statt, hei dem auch das von ihm verfaßte Landsmannschafterlied gesungen wurde. Zum Geburtstag selbst liefen Hunderte von Glückwünschen ein, zu deren Absendern der damalige Reichspräsident v. Hindenburg, die frühere Königin von Württemberg, mit deren Gemahl, König Wilhelm IL, er zusammen erzogen worden war, und die Oberbürgermeister von Frankfurt und Stuttgart, seiner Heimatstadt, gehörten.

Das zweite Ereignis war die Feier aus Anlaß des sechzigjährigen Bestehens der D. L., die natürlich in Zwingenberg erfolgte. Hierfür war die Landsmannschafter-Halle erneuert und im „Löwen" selbst das Landsmannschafter-Zimmer eingerichtet worden, in dem die nur während der Feiern in der Halle aufgehängten Bilder und anderen Gegenstände wie Schläger, Humpen usw. ständig aufbewahrt werden sollten. Ein Gästebuch sollte durchreisenden Verbandsbrüdern Gelegenheit geben, von ihrer Anwesenheit Zeugnis abzulegen.

Seit seinem 80. Geburtstag lebte Dr. Gantter zurückgezogen, vom Alter gezeichnet, und am 15. April 1931 schloß er die Augen für immer. Daß ihn eine große Trauergemeinde zur letzten Ruhe begleitete, braucht nicht besonders erwähnt zu werden. Aber wie sehr sein Herz für die Sache schlug, der er sich als junger Student zugewandt hatte, zeigt die Tatsache, (laß er seine V.A.L. testamentarisch mit einem Legat bedachte.

Das Jahr 1932 war das letzte, in dem die Korporationsstudenten und ihre Alten Herren ihr Leben in hergebrachter Weise gestalten konnten. Zwar war die wirtschaftliche Not allgemein groß, politische Unruhen beherrschten das Land, und aller Ansprüche waren um vieles bescheidener geworden; dennoch konnte die alte Freundschaft aufrechterhalten, konnten die alten Bräuche gepflegt werden. Die V.A.L. . Frankfurt, sie hatte in diesem Jahr 135 Mitglieder, traf sich bei einem Spaziergang mit den Verbandsbrüdern ausHanau und Offenbach. „Bei gutem Appetit und in lustiger Stimmung" wurden bei einem Hasenessen die Langohren verzehrt, die der Vorsitzende selbst geschossen hatte. Auf einem Vortragsabend sprach ein Professor über „Gustav Adolf als Wirtschaftspolitiker". Doch standen bereits dunkle Wolken am Horizont.

So fand die 40. Zwingenbergfahrt 1933 (1915 war die Zwingenbergfahrt aus kriegsbedingten Gründen ausgefallen) bei strömendem Regen statt. In der Landsmannschafter-Halle sprach der neuernannte, allerdings schon wenige Monate später wieder seines Amts enthobene Hessische Ministerpräsident Dr. Werner. Es war das eingetreten, wovor "der Alte Waiblinger" 1918 an derselben Stelle gewarnt hatte: eine Partei mit absolutem Machtanspruch und radikaler Ideologie war an die Regierung gekommen, jene Partei, die das gesamte deutsche Volk innerhalb von zwölf Jahren in die Katastrophe führen und dem Korporationsstudententum schon sehr bald unerwartet böse Überraschungen bereiten sollte.

Es ist nicht Aufgabe dieses Vortrags, die verschlugenen Wege zu dem Befehl von Rudolf Heß nachzuzeichnen, der. 1936 die aktiven Bünde zur Selbstauflösung zwang und 1938 auch die Altherrenverbände zur Auflösung veranlaßte, da die gestellte Alternative, der korporative Eintritt in den N.S.-Altherrcnbund nach soeben vollzogenem österreichischem Vorbild, nicht in Frage kam.

Sobald es die allgemeinen Lebensverhältnisse nach dem Krieg ermöglichten, begannen Apotheker Oskar Schweizer von der V.A.L. und Dr. Adolf Strathmann von der V.A.T. die Überlebenden zu sammeln sowie durch Krieg. Flucht und Vertreibung neue nach Frankfurt Zugezogene ausfindig zu machen, wobei insgesamt etwa 400 Anschriften ermittelt werden konnten. Nun wurde der „Börsenkeller" zum neuen Treffpunkt, am 23. 2. 1951 hielten die beiden noch getrennten Verbände hier ihren ersten Kommers ab. Nach ihrer auf dem Pfingstkongreß desselben Jahres erfolgten Vereinigung zum Coburger Convent (C. C.) wurde dann am 21. 9. im „Dachsbau" der Gaststätte „Weil" am Eschenheimer Tor die V.A.L.T. Frankfurt gegründet, die sich seit 1953 V A C C nannte. Zum Vorsitzenden wurde Pfarrer Karl Knab gewählt, der der V.A.L. schon vor dem Krieg angehört hatte, zum Schriftführer Dipl.-Volksw. Gerhard Mueller, der diesem Amt über Jahrzehnte die Treue gehalten hat und den wir heute als Ehrenmitglied unter uns begrüßen können, zum Kassenwart R. A. Walter Biernath, der noch im vorigen Jahr als stellvertretender Vorsitzender bestätigt wurde, noch an den Vorbereitungen zu diesem Fest teilgenommen hat, dann aber im Dezember vorigen Jahres jäh von uns genommen wurde.

Im „Börsenkeller" war es der urgemütliche „Herrgottswinkel", den sich die Vereinigung zum wöchentlichen Treffen am Freitagabend ausgesucht hatte. Wie viele Namen derer könnte ich nennen, die dabei waren, die durch ihre Persönlichkeit zum Gelingen der Veranstaltungen beigetragen haben, doch mir fehlt die Zeit, um allen gerecht zu werden. Auch andere Veranstaltungen fanden im „Börsenkeller" statt, Faschingsfeste, Vorträge, häufig mit Lichtbildern aus aller Welt garniert, aber auch Kneipen der aktiven Bünde, die dann später in eigene Heime übersiedelten. Schließlich mußte auch die V.A.C.C. auf Grund des Umbaus des „Börsenkellers" umsiedeln, sie wählte das „Steinerne Haus" zum neuen Domizil, wo sich nun nicht mehr Rosa, sondern Remigius um das Währder durstigen Zecherkümmerte. Die Gesellschaftsabende wanderten ebenfalls vom Börsensaal ab in den „Frankfurter Hof" und in das „Intercontinental". Kommerse fanden nach der Hintertreibung durch die Behörden im Jahre 1952 seit 1953 zunächst jährlich als Veranstaltung der Vereinigung der Akademikerverbände, davon zweimal unter der Leitung des C.C., aber auch als O.C.C.-Veranstaltungen statt. Von den auswärts stattfindenden Treffen ist natürlich an erster Stelle das Zwingenbergfest zu nennen, mit dem seit 1951 an die alte Tradition angeknüpft werden konnte, die alte Familie vermehrt um die Turnerschafter, die ja früher ganz in der Nähe, in dem lins schon bekannten Auerbach, ihre Frühlingsfeier gehalten hatten. Wie ein Symbol der Wiederatiferstehung wirkte es, als bei diesem ersten C.C.-Treffen die alte Tafel am „Löwen" feierlich wiederangebracht werden und Dr. Lindemann wieder zu den Versammelten sprechen konnte.

In die weitere Umgebung führten Omnibusfahrten, zunächst als Fahrten „ins Blaue", später als gezielte Weinfahrten mit Besichtigungen veranstaltet. Wer Lust dazu verspürte, konnte sich der von Ehrenmitglied Dr. Bubinger geleiteten Wandergruppe anschließen, Herings- und Dippehals-Essen ließen insbesondere in jüngerer Zeit auch die gastronomischen Interessen zu ihrem Recht kommen. Besonders hervorzuheben ist die jahrzehntelang weitgehend unverändert gebliebene Nikolausfeier, bei der unser Ehrenmitglied Bundesbahndirektor Fritz Kaerlein unermüdlich die Rute schwang und Gaben verteilte. Wir freuen uns, daß auch er heute unter uns weilt, doch wäre es verkehrt anzunehmen, nur die Furcht vor der Rute hätte die V.A.C.C. veranlaßt, ihn zum Ehrenmitglied zu ernennen, jahrzehntelange Mitarbeit auf vielen Gebieten ist es auch hier gewesen, die ihn in den Olymp der Ehrenmitglieder führte. Diesem Kollegium präsidiert neben dem „Alten Waiblinger" Finanzpräsident Heinz Kraus als Ehrenvorsitzender, der uns vor seinem Weggang nach München ein sehr voluminöses und gewichtiges Anwesenheitsbuch dedizierte, das seine guten Dienste wohl bis ins nächste Jahrtausend hinein leisten wird. Diesem Buch möchte ich nun zwei Blätter hinzufügen: vier Photographien des Mitbegründers und ersten Ehrenvorsitzenden, des „Alten Waiblingers", die ihn in verschiedenen Lebensaltern darstellen, sowie zwei Photographien des Mitbegründers, ersten Vorsitzenden und Ehrenmitglieds Dr. Heinrich - Vömel, dazu die Lebensläufe dieser beiden verdienten Verbandsbrüder. Ich möchte damit jedem Gelegenheit geben, sich in einer stillen Stunde einmal mit ihnen zu beschäftigen. Damit bin ich im Jahre 1988 angelangt, der Kreis schließt sich, und ich darf nun unseren heutigen Vorsitzenden erwähnen, Dr. Jörg Kujaw, Teutoniae (Bo), dem es mit viel Arbeit und Einfallsreichtum gelungen ist, unsere Vereinigung zu aktivieren und dessen Intiative wir Idee, Planung und Durchführung dieser Festveranstaltung zu verdanken haben. Auch hier kann ich wieder ein geschichtliches Band knüpfen. Vor 120 Jahren, im Spätsommer 1868, kurz nach der Gründung des Cob.L.C., fuhr der damals noch junge Waiblinger nach Bonn, um dort die Feierlichkeiten aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität mitzuerleben. Nach einer herrlichen Rheinfahrt wurde er von den Teutonen gastlich empfangen und verbrachte in ihrer Mitte einige unvergeßliche schöne Tage, auf die des „Alten Waiblingers" lebenslange Verbundenheit mit Teutonia zurückging, die ihre Krönung fand, als ihm 1926 hier in Frankfurt im Rahmen einer besonderen Veranstaltung der V.A.L. das Band Teutoniae ehrenhalber verliehen wurde.

Ich habe mich bemüht, etwas Licht in die Geschichte der V.A.C.C. Frankfurt zu bringen. Ihren heutigen und zukünftigen Mitgliedern aber rufe ich das Goethewort zu:


Was du ererbst von deinen Vätern,
Erwirb es, um es zu besitzen.

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